Freitag, 12. Juni 2020

Die böse SoKo II - Teil 1

Bisher gab es im Fall Peggy 4 Sonderkommissionen. Vor allem die Soko II, während deren Bestehen es zu einer Anklage von Ulvi K. kam, wurde harsch kritisiert. Sie soll unliebsame Zeugen willkürlich aussortiert, einen wehrlosen Geistig Behinderten unter Folter zum Mordgeständnis gezwungen haben. Das alles aufgrund politischer Einflussnahme mit dem Ziel, der Bevölkerung selbst eine Lösung des Falles zu präsentieren.
Was ist dran an diesen Vorwürfen?



Herbert Manhart, Leiter SoKo I (©Frankenpost)        
Schon 2 Tage nach dem Verschwinden Peggys wurde eine 40köpfige SoKo eingerichtet. Ihr Leiter Herbert Manhart liess jeden Stein umdrehen, jeden Zeugen befragen, beschäftigte sich mit Hellsehern, Wichtigtuern, Trittbrettfahrern und tausenden Hinweisen. Das Ganze unter enormem medialen Interesse.
In diesen ganzen Informationen musste die Nadel im Heuhaufen gefunden werden, denn: einen Tatort, eine Tatwaffe, eine Leiche gab es nicht.

Als die Suchtrupps weichen ist ein Gebiet mit Radius 4km rund um Lichtenberg systematisch durchkämmt, sind nach dutzenden Hinweisen auch außerhalb gelegene Stellen durchsucht. Das Ergebnis war immer dasselbe: keine relevante Spur im Mordfall Peggy.

Das heisst nichts anderes als dass den Zeugenaussagen ein (zu) hohes Gewicht zukam. Denn Zeugenaussagen im Strafprozess sind immer unsicher, wenn sie nicht durch weitere Zeugenaussagen oder Indizien gestützt werden können.

Was hat die Soko I ermittelt?
(Wir konzentrieren uns hier auf den aktuellen Tatverdächtigen und seine gestandene Geschichte. Insgesamt wurden mehr als 100 Personen durchleuchtet)

Ulvi K.:
  • Ulvi K. gestand schon 2 Wochen nach dem Verschwinden eine versuchte Vergewaltigung an Peggy am Donnerstag zuvor
  • Peggy wurde gegen 13:15 Uhr vom Bus heraus von einer Freundin gesehen; dies ist die letzte Feststellung, die sich nahtlos in weitere Zeugenaussagen einfügte
  • es gab einige Sichtungen des Mädchens, die den ganzen Nachmittag bis nach 19:00Uhr im ganzen Stadtgebiet Lichtenbergs umfassen; diese Zeugenaussagen zeigen keine Kontinuität in der Bekleidung des Mädchens, in mitgeführten Gegenständen und nicht in sie begleitenden Personen
  • für einen Mord am 7. Mai 2001 kam Ulvi K. nicht in Frage, weil Zeugen ihm ein Alibi gaben:
    • seine Eltern sagten aus, er sei bis 13:00 Uhr mit ihnen zusammen gewesen
    • Dieter T. sagte aus, Ulvi K. sei spätestens 13:30 Uhr bei ihm zum Holzstapeln gewesen
    • nach dem Holzstapeln fuhr Ulvi K. mit seinen Eltern nach Issigau zum Kaffeetrinken
    • anschliessend nahm der damals amtierende Bürgermeister Köhler Ulvi K. mit nach Naila, wo dieser in mehreren Lokalitäten einkehrte
    • gegen 22:00 Uhr kehrte Ulvi K. auf unbekanntem Weg nach Lichtenberg zurück
  • nach einem weiteren Sexuellen Übergriff wurde Ulvi K. im September 2001 in der Forensischen Klinik in Bayreuth stationär untergebracht; dort gestand er dem Mitpatienten Peter H. sowie einem Krankenpfleger angeblich den Mord an Peggy. Die gemachten Angaben liessen sich nicht verifizieren. Aber bei dieser Gelegenheit brachte Ulvi K. seinen Kumpel Manuel S. ins Spiel
Manuel S.:
  • Während eines Vatertagsausflugs bezichtigte sich Manuel S. unter Alkoholeinfluss selbst, Peggys Leiche vergraben zu haben
  • gegen Manuel S. wird im Herbst 2001 ein Ermittlungsverfahren eingeleitet
  • sein Auto und das Renovierungshaus wurden durchsucht - ohne Ergebnis
  • da der Verschwindetag gleichzeitig der Geburtstag von Manuel S. war gab es mehrere Alibizeugen
    • Manuel S. hatte nach eigenen Angaben vormittags einige Behördengänge erledigt, das konnte zum Teil bestätigt werden
    • nach Mittag sprach er am oberen Marktplatz mit einer Zeugin, weil er von ihr eine Wiese pachten wollte; während des Gespräches sah er Ulvi K. vor sich in Richtung Henri-Marteau-Platz gehen, was Ulvi K. auch bestätigte
    • Manuel S. sagte weiterhin aus, am Nachmittag des 7. Mai 2001 nur zu Fuß und nur kurz in Lichtenberg gewesen zu sein, die restliche Zeit verbrachte er im Kreise seiner Familie beim Geburtstagskaffee
    • über den Abend des 7. Mai 2001 ist der Öffentlichkeit nichts bekannt, was einem Alibi Manuel S.s entspräche
Zu diesem Ermittlungsstand kamen bis Januar 2002 noch gezielte Falschspuren hinzu (zum Beispiel eine Email aus einem türkischen Internetcafè), Sichtungen im In- und Ausland, Gelände-/Hausuntersuchungen, ein vermeintliche Leichenfund, Hinweise von Wahrsagern und Pendlern u.v.m.

"Manhart, heute 73 Jahre alt, war der erste Chefermittler in dem Fall. Elf Monate leitete er die Sonderkommission "Peggy", bis er pensioniert wurde. Losgelassen hat ihn die Geschichte nie. Er hat Aktenordner angelegt mit allem, was über das Kind erschienen ist. Manhart kennt jede dieser Spuren, die alle ins Leere führten. "Wir suchen nicht die Nadel im Heuhaufen", hat er einmal gesagt, "wir wissen noch gar nicht, wo der Heuhaufen ist." Bis Montag hatte sich daran nie etwas geändert. Es war zum Verzweifeln."
Herbert Manhart am 4. Juli 2016
Peggy war 2 Tage zuvor gefunden worden

Jedoch führt keine der Spuren die Ermittler weiter an eine Lösung des Falles heran. Das Mädchen bleibt verschwunden und mit jeder abgearbeiteten Spur gehen die Ansätze zur Neige, anhand derer weitere Ermittlungen stattfinden konnten.
So wurde dann auch im Januar 2001 die SoKo I von den verbliebenen 11 Beamten auf nur noch 6 reduziert.








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