Sonntag, 17. Mai 2020

Ermittlungsstand 2020

Nach dem Skelettfund 2016 hatten die Ermittler erstmals die Chance, forensische Beweise auszuwerten.

Die offiziell zugänglichen Informationen zum Fall sind die folgenden:


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  • es gibt einen Tatverdächtigen. Der damals 24jährige Manuel S. hatte zunächst gestanden, den leblosen Körper des Mädchens zu Mittag des 7. Mai 2001 im Ortskern von .Lichtenberg von einem namentlich benannten Mann übernommen und später versteckt zu haben
  • der Tatverdächtige war schon 2001 in den Ermittlungen aufgetaucht, als er unter Alkoholeinfluss sich selbst beschuldigt hatte, die Leiche vergraben zu haben; allerdings wurden die Ermittlungen gegen ihn 2002 eingestellt
  • am Leichenfundort konnten Spuren gesichert werden, die als Indizien gegen ihn gewertet werden können:
  • Renovierungsmüll (Manuel S. hatte damals in Eigenregie ein Haus im Lichtenberger Ortskern renoviert)
  • Torfspuren/Pollen (Manuel S. hatte am 7. Mai 2001 zusammen mit seiner Mutter Blumen umgesetzt, so dass hier Blumenerde als verbindender Faktor gelten könnte)
  • Manuel S. konnte eine Lüge nachgewiesen werden, was seinen Aufenthalt und seine Aktivitäten im tatkritischen Zeitfenster angeht
Quelle: Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft Bayreuth und des Polizeipräsidiums Oberfranken vom 13.9.2018


"Er war entgegen seiner bisherigen Angaben am Nachmittag des 7. Mai 2001 mit seinem Fahrzeug in Lichtenberg unterwegs. Die Ermittler konnten den goldfarbenen Audi 80 mittlerweile trotz der langen Zeit ausfindig machen und kriminaltechnisch untersuchen."
Quelle: Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft Bayreuth und des Polizeipräsidiums Oberfranken vom 21.9.2018


Ein kurz vor Weihnachten 2018 erlassener Haftbefehl gegen Manuel S. musste nach einer Beschwerde der Verteidigung zu Heiligabend aufgehoben werden.
Seither gibt es keine bekanntgewordenen Ermittlungsergebnisse.

Für die nächsten Wochen wurde ein Abschluß der Ermittlungen angekündigt.
Ob das das vorläufige ergebnislose Ende des Falles bedeutet oder den Anfang einer weiteren juristischen Aufarbeitung ist völlig offen.

Mittwoch, 13. Mai 2020

Wer denkt an das Opfer?

Vielleicht muss man in die Vergangenheit blicken, um Erklärungen zu finden.Bereits in den 80er Jahren hatte es in Lichtenberg missbräuchliche Vorfälle gegeben. Damals hatte der evangelische Priester Schulze mehrere Jugendliche missbraucht. Die Missbrauchsserie wurde indes nicht öffentlich aufgearbeitet. Laut dem Münchner Abendblatt schwiegen die Eltern aus Scham. Damals wurden die Lichtenberger aktiv durch den Missbrauchstäter gespaltet, er schloss Jugendliche aus, verbreitete Gerüchte und sorgte dafür, dass Freundschaften zerbrachen. Die Schäden an den Opfern und in der Bevölkerung eines kleinen Ortes können Jahrzehnte lang nachwirken.

Mitte der 90er begann eine weitere Missbrauchsserie mit vielen Opfern, die lange nicht ernstgenommen oder auch aus Scham verschwiegen wurde. Erst mit dem Verschwinden von Peggy Knobloch kamen nach und nach immer mehr Fälle ans Tageslicht, nachdem das Ganze schon mindestens 6 Jahre lang lief und als harmlos abgetan worden war.

"Es liegt ein Deckmantel über dem Dorf, kann man fast sagen. Viele Leute haben das einfach nicht angezeigt, das Verhalten von Ulvi. Ihnen wurde erst durch die Ermittlungen um Peggy die Augen geöffnet und der ein oder andere hat sich dann doch an die Polizei gewandt und hat das gemeldet."
"Also eine Dunkelziffer existiert mit Sicherheit. Also wir schätzen, dass bestimmt 50 Fälle nicht angezeigt worden sind."

Klaus Bernhardt, Sprecher Polizeidirektion Hof
Quelle: SWR, Report aus Mainz, 9. Dezember 2002




Wie "die Lichtenberger" über den Fall denken erfährt die Öffentlichkeit von Anfang an. Allerdings ist es ein diffuses Bild, das sich aus den Berichten ergibt. Die lauteste Farbgebung wird am besten wiedergegeben durch die Repräsentanten von Lichtenberg, die über die Jahre hinweg gerne gesehene Interviewpartner waren.
Hier unsere kleine Sammlung an öffentlichen Statements der Bürgermeister von Lichtenberg zum Fall von Peggy:

Bürgermeister Dieter Köhler
(Amtszeit bis 2004)
„Der Super-GAU wäre es, wenn tatsächlich ein Lichtenberger Peggy umgebracht hätte”
Quelle: Süddeutsche Zeitung, 2. Mai 2002

"Die Hoffnung hat lange gedauert, dass die Peggy nochmal auftaucht. Nachdem das nicht der Fall ist und nachdem die Zeit vergeht, geht das Leben auch weiter. Die Stadt Lichtenberg kann jetzt nicht jahrzehntelang oder die Lichtenberger mit Sack und Asche mit Sack und Asche rumlaufen und immer nur an das verschwundene Mädchen denken( ...) Vom Gefühl her bin ich immer noch der Meinung, dass der Ulvi das gar nicht gewesen sein kann. (...) Es gab sicher Fälle, wo der Ulvi sich entblößt hat. Das war bekannt. Bei den meisten Fällen werden die anderen drüber gelacht haben, die andern Kinder, so zwölf-/dreizehn-jährige Jungen. ... Also Entblößer gab's immer und die werden -soviel ich wei, ich bin ja kein Fachmann- aber die werden wahrscheinlich in den seltensten Fällen dann zu Mördern."
Quelle: SWR, Report aus Mainz, 9. Dezember 2002
Bürgermeister Hans Denzler
(Amtszeit 2004 - 2005)
"Große Teile der Bevölkerung sind der Meinung, dass es der Ulvi nicht gewesen ist"
Quelle: Spiegel, 26. März 2005
Bürgermeisterin Elke Beyer
(Amtszeit 2005 - 2014)
„Wir stellen nach wie vor infrage, dass Ulvi K. wirklich der Täter ist“
Quelle: Nürnberger Zeitung, 6. Mai 2011
Bürgermeister Holger Knüppel
(Amtszeit 2014 - 2020)
„Immer wieder wenn neue Ergebnisse waren schlug natürlich auch die Presse wieder auf und in dem Moment hat's die Bürger natürlich aus dem Alltag gerissen und wieder mitgenommen. Und das war natürlich wieder so n Moment wo der Friedhof auf den Kopf gestellt wurde, wo man gesagt hat, das Kind ist da mit irgendjemand anders beerigt worden. Da gings wieder von vorne los. Und das waren immer so Wellen, die die Lichtenberger aushalten mussten.“
Quelle: mdr, Die Spur der Täter, 27. März 2019
Viele verharmlosenden Aussagen über die Missbräuche und klare Zweifel am widerrufenen Mordgeständnis. 2017 folgte sogar eine Unterschriftenaktion einiger Lichtenberger Bürger, darunter Gemeinderäte und Bürgermeister, gegen negative Schlagzeilen über Lichtenberg und gegen angebliche Ermittlungsfehler der Behörden. Man fühlte sich desinformiert und falsch dargestellt. Die 'Gegenseite' hingegen berichtet von einer Mauer des Schweigens, von wenig Hilfsbereitschaft und Kooperation. Zwei Missbrauchsserien, ein Mord an einem neunjährigen Mädchen und beide einschneidenden Phasen finden keinen Eingang in die Ortschronik von Lichtenberg. Vielleicht ist das nur konsequent. Vielleicht aber auch der Wunsch nach Vergessen.

Eine Frage aber bleibt:
Wer denkt an das Mädchen?

Montag, 11. Mai 2020

Peggy Knobloch



1998 zog die kleine Familie um Mutter Susanne, deren Lebensgefährten Erhan Ü., Schwester Jasmin und Peggy nach Lichtenberg.
Die neunjährige Peggy war nachmittags oft zum Spielen bei Freunden oder im Ortskern unterwegs. Sie machte mitunter ihre Hausaufgaben zusammen mit Freunden in einem Gasthof. Der Bewegungsradius war groß, zusammen mit ihren Freunden war sie am See oder am Burgberg, spielte im Ortskern. Seit ihre Mutter eine Arbeitsstelle angetreten hatte war Peggy ab und an nachmittags alleine, es waren aber immer Vertrauenspersonen verfügbar. Zwischen diesen, Peggy und ihrere Mutter hatten sich einige "Rituale" etabliert: Nach der Schule kehrte das Mädchen direkt heim, um dort ihre Schulkleidung gegen unempfindlichere Kleidung zum Spielen draußen zu tauschen. Peggy aß das bereitgestellte Mittagessen auf und schaute fern.
Wenn sie wieder weg ging, nahm sie normalerweise ihren silbernen Roller mit.



Peggy Knobloch
(Quelle: http://ulvi-kulac.de/assets/images/)



Links: Wohnhaus von Peggy
(Quelle: Focus "Wende im Fall Peggy", 22.9.2018)
Peggy besuchte die Grundschule in Lichtenberg. Die ca. 600m bis zum Blauen Haus am Marktplatz, in dem die Familie lebte, legte sie jeden Tag zu Fuß zurück.

Sonntag, 10. Mai 2020

Suchmaßnahmen

Die Suche nach Peggy begann, als ihre Mutter nach der Arbeit gegen 20:00 Uhr zuhause feststellte, dass das Mädchen offenbar nicht nach Hause gekommen war. Nachdem sie einige Nachbarn und Freunde befragt und selbst nach dem Kind gesucht hatte, startete mit ihrem Anruf gegen 22:00 Uhr bei der Polizei eine beispiellose Suche.


Zeitnahe Maßnahmen

Noch in der Nacht durchsuchten Ermittler mit Hunden das weiträumige Wohngebäude inklusive leerstehender Wohnung, Kellerräumen und Nachbarwohnungen.
Die Suche weitete sich dann aus auf den Lichtenberger Ortskern und den Burgberg, es waren nachts schon 30 Beamte unterwegs.

Am Dienstag dem 8. Mai 2001 begann schon am frühen Morgen die Suche, an der sich die Freiwillige Feuerwehr, das DLRG, Hundestaffeln und Hundertschaften der Polizei beteiligten.

"Die nächtliche Suche bleibt ohne Erfolg. Am nächsten Morgen um 6 Uhr gehen fünfzig Polizeibeamte los, unterstützt von rund sechzig Männern der umliegenden Feuerwehren. Jetzt wird auch die Umgebung abgesucht. Im Laufe des Vormittags kommt eine Hundertschaft Bereitschaftspolizei aus Nürnberg hinzu. In langen Ketten wird der Wald um Lichtenberg durchkämmt, mit Stäben wird in Felshöhlen gestochert, am Boden liegende Zweige werden umgedreht. Nichts.

Derweil fliegt der Hubschrauber der Polizei Planquadrat um Planquadrat ab. Mit einer Wärmebildkamera wird nach einem Zeichen der kleinen Peggy geforscht. Nichts. Die BRK- Schutzhundestaffel schwärmt aus. Nichts. Taucher der DLRG sind am Freizeitsee eingetroffen. Vielleicht ist das Mädchen hier hineingefallen und ertrunken. Auch hier: Nichts."
Frankenpost, 8. September 2001

Welche Suchmaßnahmen unternommen wurden

In der langen Zeit, die seit dem Verschwinden des Mädchens vergangen sind, haben die Ermittler jeden noch so vagen Hinweis verfolgt.





"Alle anderen Aussagen, die getätigt wurden, wurden durch die Soko widerlegt. Beispielsweise der Hinweis auf den roten tschechischen Mercedes, der sich überhaupt nicht konkretisiert hat."
Klaus Bernhardt, Sprecher Polizeidirektion Hof
Quelle: ARD, 11. Juni 2001



  • Suche im Wohnhaus
  • Durchsuchungen von Mülleimern und Wohnungen im Ortskern
  • Spurensuche in Häusern, Autos, Lagerräumen in Lichtenberg und an anderen Orten
  • Suche am Burgberg
  • Durchsuchung von Gewässern
  • Suche in Höhlen und Stollen
  • Durchsuchung von Waldgebieten
  • Überflug durch Hubschrauber mit Wärmebildkamera
  • Einsatz von Hundestaffeln (Deutsches Rotes Kreuz)
  • Nachverfolgung von Hinweise aus der Bevölkerung (Auswahl)
    • Federmäppchen auf Acker gefunden
    • vermeintliche Mädchenleiche an der Taubaldsmühle
    • Schreie aus einer Hütte
    • Verwesungsgeruch im Wald
    • Prüfung des Lichtenberger Schützenhauses
    • Hinweise eines Pendlers auf einen konkreten Ort
    • Diverse Sichtungen des Mädchens im In- und Ausland
  • Überflug der Gegend durch Bundeswehrtornados
  • Absuche des Lichtenberger Friedhofs
  • Abtragung eines Hanges
  • Durchsuchung eine Abrißhauses
  • Das Sachsenhäuschen wird durchsucht
  • Ermittlungen in der Türkei
  • Aufgrabung des Garten eines einschlägig vorbestraften Lichtenbergers
  • Exhumierung eines Grabes
  • Suchaktion an einer Talsperre
  • u.v.m.

Ein Mädchen verschwindet...

mdr-Beitrag "Spur der Täter" (27.03.2019)
Im 1000-Seelen-Städtchen Lichtenberg (Oberfranken) macht sich die 9-jährige Peggy gegen 7:30 Uhr auf den Weg zur Schule, zuvor holt sie wie so oft beim Krämer Langheinrich noch ihren Proviant.
Schulschluß ist um 12:50 Uhr. Peggy verlässt mit einer Freundin erst gegen 13:00 Uhr die Schule; die beiden helfen noch beim Tafelputzen und suchen Peggys Börse. Die Mädchen schlendern über den Sportplatzweg in Richtung Ortskern. Peggy verabschiedet sich am Wohnhaus der Freundin und geht alleine weiter.Mehrere Zeugen sehen das Mädchen und können Ihren Weg ein gutes Stück beschreiben. In Höhe der ehemaligen Raiffeisenfiliale am Henri-Marteau-Platz wird Peggy nach Rekonstruktion der Ermittler um 13:24 Uhr aus einem Schulbus heraus von einer Freundin gesehen. Später wird man feststellen, dass dies die letzte gesicherte Sichtung des Mädchens ist.