Donnerstag, 23. Mai 2024

Entscheidung des Landgerichts Hof zur Schmerzensgeldklage Frau Knoblochs gegen Manuel S.

Im heutigen Gerichtstermin gab das Landgericht Hof bekannt, dass die Klage abgewiesen wurde.
Zum entscheidenden Punkt - ob das mittlerweile widerrufene Geständnis der Leichenverbringung der Wahrheit entsprach - sagte das Landgericht Hof, dass von den Parteien nicht ausreichend bewiesen werden konnte, dass das Geständnis wahr sei. Im Gegenteil, es seien einige Widersprüche zu den Polizeiprotokollen aufgetaucht, die für ein ausgedachtes Geständnis sprechen.

Leider bleibt das Gericht bisher noch unkonkret darüber, inwiefern hier eine Überprüfung jenseits der 1. Anhörung im April erfolgt ist. 

In der Pressemitteilung heisst es hierzu:


Der Vorsitzende der 2. Zivilkammer des Landgerichts Hof wies darauf hin, dass – anders als in Strafverfahren – in einem Zivilverfahren das Gericht die Beweise nicht von Amts wegen erhebt, sondern die Beweise dem Gericht von den Parteien angeboten werden müssen und sich die Beweisaufnahme auf die von den Parteien genannten Beweismittel beschränkt. 

(...)

 

Die Zivilkammer konnte sich unter Gesamtwürdigung aller Umstände und anerbotener Beweise keine sichere Überzeugung davon bilden, dass der Beklagte tatsächlich die Leiche von Peggy in das Waldstück in Thüringen verbracht hat. Es habe für die Kammer in mehreren Punkten Zweifel am Wahrheitsgehalt der polizeilichen Aussage des damaligen Beschuldigten und jetzigen Beklagten gegeben. So ergeben sich aus dem Protokoll der polizeilichen Vernehmung des Beklagten einerseits schon Anhaltspunkte dafür, dass er sich das Gesagte ausgedacht habe. Zum anderen seien auch Widersprüche zwischen seiner polizeilichen Aussage zu den tatsächlichen Feststellungen gegeben, die dafür sprechen, dass Teile seiner polizeilichen Aussage nicht wahr sind.

Ferner führt die Kammer aus, dass ein Anspruch der Klägerin auch aus rechtlichen Gründen nicht gegeben sei. 

(...)


Pressemitteilung LG Hof, 22.5.2024
https://www.justiz.bayern.de/gerichte-und-behoerden/landgericht/hof/presse/2024/6.php

Montag, 6. Mai 2024

Mittlerweile ...

hat der 1. Termin zur Schmerzensgeldklage Frau Knoblochs gegen Manuel S. stattgefunden. 

Beide Parteien konnten in einer ersten Stellungnahme ihre Positionen erläutern. Während Frau Knobloch ihr Leiden noch einmal schildern musste und klarstellte, dass ihr Leid durch das Nichtwissen um den Verbleib ihrer Tochter sowie die zahlreichen Anfeindungen unnötig vergrössert wurde bestreitet die Seite von Manuel S. jegliche Beteiligung an der Verbringung von Peggys Leiche.

Der Termin brachte keine Einigung, jedoch ist es hervorzuheben, dass beide Gegenparteien persönlich erschienen sind und aussagten. Das verlangt sicher allen große Kraft ab.

Frau Knoblochs Leid ist spürbar, allerdings wird es schwierig werden, dieses Leid in Zahlen und Währungen zu bemessen. Genau das wird aber das Gericht machen müssen, sollte es sich entscheiden, in eine Art Beweisaufnahme einzutreten. Dann muss genau dieses gemacht werden. Vor allem wird wichtig sein festzustellen, ob das Geständnis von Manuel S., er habe den Leichnam Peggys nach Rodacherbrunn gefahren und dort im Wald versteckt, verwertbar ist. Also ob es unter rechtmäßigen Bedingungen zustande gekommen ist oder ob es (wie Anwalt Meringer immer wieder betont) nur unter Druck und nach 10stündigem Verhör entstand. 

Ist das Geständnis, das 3 Monate später zurückgezogen wurde, echt, so steht juristisch Manuel S. als Verbringer der Leiche fest. Diese Strafvereitelung wäre mittlerweile verjährt und nicht mehr strafbar. Aber Frau Knobloch hätte Gewissheit und das Gericht könnte darauf aufbauend die Klage prüfen.

Es besteht allerdings eine durchaus hohe Wahrscheinlichkeit, dass das Gericht gar nicht in diese Prüfungsphase eintritt sondern die Klage abweist. Dann würden alle Fragezeichen einfach stehen bleiben.

Wie das Gericht entscheidet soll in einem Folgetermin am Landgericht Hof am 22. Mai 2024 verkündet werden.



Ausnahmsweise als Quelle hier ein BILD-Artikel, die meisten anderen Berichte verbergen sich hinter Bezahlschranken: https://www.bild.de/regional/bayern/cold-case-peggy-knobloch-mutter-verklagt-bestatter-auf-schmerzensgeld-6620ab99a24e43046022b4c7

Sonntag, 3. März 2024

Buchkritik

„Der Vermisstenfall "Peggy Knobloch".

Tatablaufhypothese und Lehren für zukünftige Ermittlungen“

 

Es ist eine neue Publikation erschienen, die in großer Anzahl empfohlen wird, wenn man die großen Suchmaschinen bedient und nach „Peggy Knobloch“ sucht.

Der Titel klingt interessant und die Einteilung in die Kategorie „Jura“ verspricht einiges.

Ob diese Arbeit hält, was sie verspricht, erfahren Sie in folgendem Blogbeitrag.

 

Einordnung der Arbeit

Fachrichtung


Die Plattform grin.com ordnet die Arbeit ein als „Hausarbeit“ im Bereich „Jura - Strafprozessrecht, Kriminologie, Strafvollzug“. Thalia spart sich eine Einordnung. Lehmanns schreibt dazu: „Studienarbeit aus dem Jahr 2023 im Fachbereich Jura - Strafprozessrecht, Kriminologie, Strafvollzug, Note: 15,0,“ und ordnet diese Arbeit ebenfalls in denselben Bereich der Rechtswissenschaften ein.


Die Autorin

Die Autorin wird lediglich mit Vor- und Nachnamen genannt. Universität, Studienfach und Semester, in dem die Studienarbeit verfasst wurde, bleiben unbekannt.


Art der Veröffentlichung

Die vorliegende Studienarbeit wurde bereits im Sommer 2023 bewertet, im Februar 2024 dann in den einschlägigen Plattformen veröffentlicht und zum Kauf angeboten.

Das Buch erhält man entweder als Taschenbuch oder als eBook. Die Preise auf den einzelnen Plattformen sind uneinheitlich.

Die ISBN-Nummer ist: ISBN-13: 978-3-96487-950-9 



Auszug aus den Bezugsquellen:

· Thalia

· Lehmanns 

· Medimops

· Amazon 


Umfang

In den verschiedenen Plattformen wird die Seitenzahl unterschiedlich angegeben, von 24 bis 37 Seiten.

Das uns vorliegende pdf-File enthält 27 Seiten, diese teilen sich wie folgt auf:
  • Seite 1: Titelseite
  • Seiten 2 und 3: Informationen zum Verlag und Hinweise zu Schutzrechten.
  • Seite 4: Deckblatt mit Titel und Namen der Autorin
  • Seite 5: Informationen zum Verlag und Links auf die Verlags-Plattformen und Social Media Auftritte
  • Seite 6: Übersichtsseite mit der Überschrift „Hausarbeit, Modul S13“ und dem Abgabedatum 28.02.2023
  • Seite 7: Inhaltsverzeichnis
  • Seite 8: Hinweis zur Verwendung des „generischen Maskulinum“
  • Seite 9: Abkürzungsverzeichnis
  • Seite 10: Einleitung
  • Seiten 11 bis 18: Kapitel „Erkenntnisse zum Vermisstenfall Peggy“
  • Seiten 19 bis 20: Kapitel „Kritik an der Polizeiarbeit“
  • Seite 23: Fazit
  • Seiten 24 bis 26: Literaturverzeichnis
  • Seite 27: Werbung des Verlags

Der inhaltliche Umfang beträgt also 14 Seiten.



Bis hierhin stellen sich schon etliche Fragen. Zum Beispiel: wie kann der komplexe Fall Peggy, dessen Ermittlungen sich über 20 Jahre erstreckten, auf so wenigen Seiten abgehandelt werden?

Aber die Fragen werden nur noch mehr, wenn man sich mit dieser Studienarbeit beschäftigt.


Die Quellen

Beginnen wir damit, zu schauen welche Quellen verwendet wurden. Eine Hausarbeit im Fach der Rechtswissenschaften zu erstellen – da meint man als Laie, die Studenten säßen im verstaubten Archiv und hätten Zugang zu Fachzeitschriften und eventuell zu Originalpolizeiakten, zumal die Ermittlungen zum Zeitpunkt der Studienarbeit bereits abgeschlossen waren. Ein laufendes Verfahren war damals kein Grund jedenfalls, Akteneinsicht verwehrt zu bekommen.

Umso erstaunlicher der Blick in das Quellenverzeichnis:

Von den 19 aufgelisteten Quellen enthalten nur 2 keinen Internetlink.

Eine der Ausnahmen ist das Buch von Lemmer/Jung „Der Fall Peggy: Die Geschichte eines Skandals. München: Knaur.“ Überhaupt taucht Christoph Lemmer im Literaturverzeichnis gleich 7 mal auf. Dazu kommen noch 3-mal Einzelfolgen der Höllental-Dokumentation von Marie Wilke. Weitere 3 Einträge gehen auf Onlineartikel von Spiegel, BR und tag24. Dann noch 1mal eine Publikation über das wissenschaftliche Gendern. 2 mal wird für eine jeweilige Begriffserklärung bzw. Themenvertiefung u.a. auf das BKA verwiesen.

Das Offiziellste an Quellen ist eine Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft Bayreuth aus dem Jahr 2020, in der die Einstellung der Ermittlungen bekanntgegeben wurde.

Einsicht in Originalakten ist also Fehlanzeige, ebenso eine Auseinandersetzung mit der Vielzahl an offiziellen Bekanntmachungen der Ermittlungsbehörden.

Stattdessen eine hoch selektive Auswahl an teilweise höchst tendenziösen Quellen (über Lemmer sollten wir echt auch noch etwas sagen).

Diese frühe Analyse der verwendeten Quellen ist umso wichtiger, als sie bei der folgenden inhaltlichen Analyse eine wichtige Rolle spielt. Die Art der Quellen hat in der vorliegenden Arbeit deutlich abgefärbt auf den Tenor.


Der Inhalt

Teil 1: Die Chronologie bzw. die Erkenntnisse im Fall Peggy

Für die Vorgeschichte bezieht sich die Autorin fast ausschliesslich auf Informationen aus den Büchern und Podcasts von Christoph Lemmer und thematisiert die auffälligen Verhaltensweisen, die Peggy bereits vor ihrem Verschwinden an den Tag legte. Es ist naheliegend, dass diese Veränderungen bereits auf einen Sexuellen Missbrauch hindeuteten.

Der rote Mercedes

Große Bedeutung wird auf die vielen Zeugen gelegt, die das Mädchen am Tag ihres Verschwindens noch nach der letzten offiziellen Sichtung am Henri-Marteau-Platz gegen 13:24 Uhr gesehen haben wollen.
Bei der Aufzählung der Sichtungen in Bezug auf den roten Mercedes zeigt sich allerdings bereits, wie ungeprüft die Autorin die Informationen von Lemmer übernimmt.

So sagt sie:
  
Quelle: span style="font-size: x-small;">„Der Vermisstenfall "Peggy Knobloch". Tatablaufhypothese und
Lehren für zukünftige Ermittlungen“, Wassermann (2024)


Zunächst einmal waren es keine 5 Zeugen, die das Mädchen in das Auto haben einsteigen sehen (es waren zwei Jungs) und zu den Aussagen gehörte auch, dass das Mädchen wieder zurückgebracht worden und ausgestiegen sei.



Hierzu ein paar zeitnahe Informationen:

Netzzeitung.de, 11.05.2001

Peggy war zuletzt am 7. Mai gesehen worden. Sie soll Zeugen zufolge in ein Auto mit tschechischem Kennzeichen ein- und wenig später wieder ausgestiegen sein. Für Spekulationen, dass das Mädchen in die benachbarte Tschechische Republik verschleppt worden sein könnte, haben die Ermittler keine Bestätigung.

Frankenpost, 14.05.2001

"Immer wieder hat der Polizeisprecher betont, die kleine Peggy soll in das rote Auto mit tschechischem Kennzeichen erst ein- und dann wieder ausgestiegen sein. Doch am nächsten Tag muss er in einem Boulevard-Blatt lesen, Peggy sei erst aus- und dann wieder eingestiegen. So rum klingt's doch noch viel dramatischer, oder? Ein Rundfunksender lässt einfach die Hälfte weg: Peggy stieg in ein rotes Auto. Punkt. Dass sie kurz darauf auch wieder zurück gebracht worden sein soll, ist offenbar der Spannung der Geschichte abträglich."

Und noch ein wenig offizieller:



Es ist traurig, dass diese effekthascherischen Methoden trotz mehrfacher und zeitnaher Klarstellung von Lemmer noch für sein Buch bzw. seine Podcasts angewendet wurden. Noch nachdenklicher aber stimmt es, dass sie ohne weiteres Quellenstudium im Fach Jura übernommen wurden.

Dass diese vermeintlichen Sichtungen im Bereich der Bäckerei stattgefunden haben sollen, wo Peggy sich etwas gekauft hatte, was die Bäckereiverkäuferin sogar vor Gericht ausdrücklich nicht bestätigte, wir gar nicht thematisiert.

Abenteuerlich wird es nun, da die noch späteren Sichtungen thematisiert werden. Zwei davon scheinen für die Autorin sehr wichtig zu sein, denn sie werden ausdrücklich erwähnt:

Die erste ist die Sichtung eines Mädchenkörpers im Wald bei Helmbrechts einige Tage nach Peggys Verschwinden, wo trotz zügiger Überprüfung durch die Polizei nichts gefunden worden ist. Die zweite ist der angebliche Anruf Peggy bei ihrer Freundin in Berlin drei Wochen später. Nicht nur konnte hier keinerlei Ermittlungsergebnis verzeichnet werden, der Skelettfund im Jahr 2016 sollte eigentlich klar dagegen sprechen, dass das Mädchen noch so lange am Leben war.


Die Tatverdächtigen


Die Autorin erwähnt Ermittlungen gegen folgende Personen:

· Erhan Ü., den Stiefvater von Peggy
Hier spricht die Autorin, dass Misshandlungen gegen Peggy im Raum standen. Ünal soll von Peggys Mutter betrogen worden sein und der daraus resultierende verletzte Stolz hätte ein Motiv sein können.

· Ulvi K., der mehrfach Kinder sexuell missbraucht hatte
dessen Beschreibung endet in der Studienarbeit mit dem Freispruch im Wiederaufnahmeverfahren 2014 endet.

· Holger E., der damals 17jährige Bruder des Nachbarn, der in Halle lebte
Ihm konnte 2001 nichts nachgewiesen werden und auch eine erneute Überprüfung 2012ff ergab nichts, auch wenn er in anderen Strafverfahren wegen Sexuellem Missbrauch verurteilt wurde.

· Jens B., der Nachbar
Er kam durch widersprüchliche Alibi-Aussagen 2012 unter Verdacht. Es wird zu Recht klargestellt, dass es außer diesen Widersprüchen keine Hinweise darauf gibt „dass er etwas mit dem Fall zu tun haben könnte“

· Robert E., ein einschlägig vorbestrafter Lichtenberger
Die Autorin weist darauf hin, dass der Verdacht gegen ihn im Fall Peggy nicht bestätigt werden konnte.

· Manuel S., ein damals 24jähriger Lichternberger und Freund von Ulvi K.
Er war schon früh in den Akten aufgetaucht, weil Ulvi K. ihn in seinen eigenen Aussagen beschuldigt hatte, die Leiche entsorgt zu haben. Die Autorin weist darauf hin, dass „die Ermittlungen gegen ihn am 16.10.2020 eingestellt“ wurden
 
Hinweis: In der Publikation sind bis auf Jens B. und Robert E. sämtliche Personen mit Vor- und Nachnamen genannt. Auch das scheint merkwürdig. Die Nennung des vollen Namens ist weder nötig noch richtig. Die unterschiedliche Handhabung ergibt zudem keinen ersichtlichen Sinn.

Teil 2: Tatablaufhypothese

Die Autorin versucht sich ernsthaft an einer Tatablaufhypothese. Das, ohne klarzumachen, welche Befähigung sie dafür hat. Während die Ermittlungen eine Fallanalyse immer dann erstellen, wenn man noch herausfinden muss, was genau geschehen ist, wird hier bereits eine konkrete Person benannt.

Aber zunächst mal, was versteht man unter eine Tatablaufhypothese? Ist das eine selbsterdachte spekulative Ablaufreihenfolge der Geschehnisse? Oder ist dies vergleichbar mit einer Fallanalyse der Ermittler?


Das BKA erläutert eine Fallanalyse folgendermaßen:



BKA.de, Fallanalysen im Bereich der Tötungsdelikte und der sexuell assoziierten Gewaltdelikte

Bei der deutschen Polizei werden alle Fallanalysen in Teamarbeit durchgeführt. In einem Fallanalyse Team arbeiten mindestens vier polizeiliche Fallanalytiker/innen, die dafür speziell ausgesucht und ausgebildet wurden. Zusätzlich können auch Sachbearbeitende der ermittelnden Polizeidienststelle sowie externe Fachleute wie Rechtsmediziner/innen oder Psychologen/innen hinzugezogen werden. Durch die Teamarbeit wird die Qualität der Analyseergebnisse optimiert.

Als Basis für die Fallanalyse dienen ausschließlich objektive oder gesicherte Falldaten sowie Informationen zum Opfer. Subjektive Daten können ggfs. auch berücksichtigt werden, müssen aber zwingend kritisch geprüft werden. Das Fallanalyse-Team besichtigt in der Regel den Tatort und die sonstigen relevanten Handlungsorte des Delikts. Auf dieser Basis wird der Ablauf der Tat Schritt für Schritt rekonstruiert und die Tatsequenzen in eine chronologische Ordnung gebracht. Nach der Rekonstruktion des Tatgeschehens wird das Verhalten des Täters eingehend spezifiziert, d.h. es wird geprüft, in welcher Weise die Individualität des Täters den jeweiligen Fall geprägt hat.

In einem weiteren Schritt wird der Fall als Ganzes charakterisiert. Handelt es sich mehr um eine geplante oder um eine spontane Tat oder gab es diesbezüglich vermischte Phasen? Welche Kriterien waren für die Opfer-, Tatzeit- bzw. Tatortauswahl maßgeblich? Und: Gab es besondere, vielleicht sogar außergewöhnliche Charakteristika im Fall? (Beispiel: Wollte der Täter die Tat vertuschen und seine Spuren verwischen? Oder wollte er sogar ein anderes Tatmotiv vortäuschen?)

Aufbauend auf diesen Bewertungen werden Ableitungen zum Täter getroffen und Hinweise für die ermittelnde Polizeidienststelle generiert, die dazu dienen, die Ermittlungs- und Fahndungsmaßnahmen zu priorisieren und sie im weiteren Verlauf zu ökonomisieren. Die Erstellung eines Täterprofils ist kein zwingend folgender Arbeitsschritt nach einer Tatrekonstruktion. Mittels der Täterprofilerstellung wird ein unbekannter (!) Täter hinsichtlich seiner Verhaltensmerkmale so beschrieben, dass er bei der weiteren Ermittlungsarbeit von anderen Personen erkennbar unterschieden werden kann. Das erarbeitete Täterprofil entspricht eher einer Einschätzung zur Persönlichkeit des möglichen Täters und kann somit auf mehrere Menschen zutreffen.


Der Begriff der Tatablaufhypothese wird erklärt:


Karteikarte.com
Unter TAH versteht man die Frage:

Was ist hier passiert, bzw. was könnte hier passiert sein? Gedankliche Reproduktion des Tatgeschehens unter Einbezug der am TO vorgefundenen Gesamtsituation.
Entscheidende Grundlage für alle weitere n fallspezifisch zu treffenden Maßnahmen




Es ist also durchaus angebracht, hier den weniger strengen Begriff „Tatablaufhypothese“ zu verwenden. Der Fehler besteht meiner Ansicht allerdings in der suggerierten Seriosität und Professionalität sowie in der Vorwegnahme eines konkreten Verdächtigen, der laut Polizei nicht (mehr) zu den Tatverdächtigen zählt und zu dem es dutzende Kontra-Argumente gibt.

Aber was sagt die Autorin konkret in ihre Tatablaufhypothese? Warum wählt sie Holger E. aus?

 

Quelle: „Der Vermisstenfall "Peggy Knobloch". Tatablaufhypothese und
Lehren für zukünftige Ermittlungen“, Wassermann (2024)


Ja, Holger E. ist pädophil. Wie Ulvi K. und Robert E. auch.
Ja, Holger E. sagte die Unwahrheit. Wie Ulvi K. und Manuel S. auch.
Ja, Holger E. hatte laut eigener Aussage eine intime Beziehung zu Peggy. Sie hätten sich geküsst. Ulvi K. sagte, er habe Peggy vergewaltigt.

Was also bewegt die Autorin, genau Holger E. für eine Tatablaufhypothese als Täter auszuwählen? Weil bei ihm so vieles zusammenkommt?
Suggeriert sie damit nicht, den Täter „entlarvt“ zu haben?

 

Details vom Tag des Verschwindens

Es verwundert, wie die Autorin hier ohne sprachliche Relativierung und ohne sich auf eine Quelle zu beziehen, Sätze wie den folgenden hier bringt. Es gibt keinerlei Erläuterung des Begriffs der Tatablaufhypothese und wie er in der vorliegenden Arbeit verwendet wird. Auch wird nicht klargestellt, dass das Folgende sprachlich nicht ausdrücklich als Gedankenspiel dargestellt wird, was es wahrscheinlich eigentlich sein sollte.
Stattdessen findet der Leser das:

 

Quelle: „Der Vermisstenfall "Peggy Knobloch". Tatablaufhypothese und
Lehren für zukünftige Ermittlungen“, Wassermann (2024)


Wer dieses Mädchen gewesen sein soll, bleibt ebenso unbeantwortet wie die enorm lange Fahrzeit, die es damals kostete, um ohne Autobahn von Halle nach Lichtenberg zu fahren.
Aber es geht noch weiter:
 

Quelle: „Der Vermisstenfall "Peggy Knobloch". Tatablaufhypothese und
Lehren für zukünftige Ermittlungen“, Wassermann (
2024)

 

Was passierte mit dem begleitenden Mädchen? Was ist mit Holger E.‘s Alibi, der abends wieder in Halle war?
 

Quelle: „Der Vermisstenfall "Peggy Knobloch". Tatablaufhypothese und
Lehren für zukünftige Ermittlungen“, Wassermann (2024)



Auch hier wieder: es gibt keine Erklärung, wie der 17jährige ohne Vernetzung in Lichtenberg das Mädchen mehrere Tage am Leben erhalte, wo er sie missbraucht haben soll und wie er schliesslich trotz immensem Polizeiaufgebot mit einer Leiche nach Rodacherbrunn gefahren sein soll.

Aber dann kommt sie doch noch, die Relativierung. Die oben genannten Beschreibungen sind keine Tatsachenbehauptungen gegen einen namentlich genannten Mann, sondern:

Quelle: „Der Vermisstenfall "Peggy Knobloch". Tatablaufhypothese und
Lehren für zukünftige Ermittlungen“, Wassermann (224)0


 

Damit wird dann zum 3. Teil der Arbeit übergeleitet.


Teil 3: Ermittlungsfehler bzw. Kritik an der Polizeiarbeit


Hier sind die wichtigsten Fehler, die die Autorin der Polizei vorwirft:
•    Keine Hausdurchsuchung beim leiblichen Vater in der Nacht des Verschwindens
•    Vorübergehende Verwendung eines alten Fotos
•    Letzte gesicherte Sichtung am Henri-Marteau-Platz entgegen den späteren Sichtungen
•    Verwechslung der Sichtung Peggys im Carlsgrüner Weg nicht sicher
•    Aktives „Ausspielen“ der beiden Kinderzeugen wegen deren Aussagen, Peggy noch am Nachmittag im Bereich der Bäckerei gesehen zu haben
•    Falsche Behauptung gegenüber Ulvi K., auf seiner Kleidung sei Blut gefunden worden
•    Körperliche Bedrängung von Ulvi K. bei den Vernehmungen und unlauteres Ausüben von Druck
•    Geständnis Ulvi K.s ohne Tonbandgerät und ohne Anwalt
•    Versprechungen gegenüber dem V-Mann Peter H. gegen ein Geständnis von Ulvi K.
•    Verwehrung eines anwaltlichen Beistands von Manuel S.
•    Einstellung der Ermittlungen gegen Holger E. nach dem Geständnis von Ulvi K.
•    Trugspur (Bönhardt) durch unsauberes Arbeiten

Fazit

Die Autorin schreibt in der Einleitung zu Teil 3 „Folgende Darstellungen können als Grundlage für die verbesserte Bearbeitung von Vermisstenfällen genutzt werden“. Worin diese „verbesserte Bearbeitung von Vermisstenfällen“ besteht wird nicht erläutert. Bei so einem mächtigen Satz erwartet der Leser einen konkreten Maßnahmenkatalog gemäß dem Muster „Fehler  Methode zur Vermeidung“.
Zudem sind die aufgezeigten Fehler weder bewertet in ihrer Wichtigkeit noch wurden sie anhand Originalquellen daraufhin überprüft, ob sie tatsächlich so stattgefunden haben. Sie wurden 1:1 von Lemmer übernommen, der bereits seit 2010 den Ermittlern Vorwürfe macht und mit diesem Tenor seine Bücher und Podcasts vermarktet. Dabei wird oft übersehen, dass er keine Einsicht in den vollständigen Aktenbestand hatte, auch weil er seine ersten Veröffentlichungen noch mitten in einem ungeklärten bzw. wieder bearbeiteten Vermisstenfall hinein herausbrachte. Die Autorin verpasste die Gelegenheit, kritisch auch Lemmer zu hinterfragen.

Dass sie eine Tatablaufhypothese (deren Begriff sie im Teil 3 gleichbedeutend mit Fallanalyse verwendet) aufstellt und dabei einen vollständigen Klarnamen nennt von einem Mann, gegen den nicht ermittelt wird, ist fraglich. Wäre diese Hausarbeit in der Juristischen Fakultät verblieben mag das ja noch angehen. Aber die Vermarktung auf so vielen Plattformen macht diesen Sachverhalt schlimm.
Während das BKA für Fallanalysen genaue Expertisen abruft und konkrete Erstellungsschritte inklusive Hinzuziehung sämtlicher verfügbarer Informationsquellen (Akten, Aussagen, Tatortbegehung, Ergebnisse der Gerichtsmedizin und Spurensicherung etc.) begnügt sich die Autorin mit Podcasts und einem Taschenbuch. Eine kritische Auseinandersetzung mit Informationen und Quellen findet nicht statt.
Ohne offizielle Quellen und ohne entsprechende Expertise (Jurastudenten sind keine Fallanalytiker und haben in der Regel keine polizeiliche Ausbildung) sich an diese 3 großen Themen zu wagen (Chronologie, Fallanalyse und Kritik an der Polizei) scheint überheblich.
Aus dieser mehr als oberflächlichen „Analyse“ auch noch generell Verbesserungsmöglichkeiten für die Polizei ableiten zu wollen, ist nicht zu beschreiben.
Ermittlern, die über 20 Jahre immer wieder und mit vollem Einsatz versucht haben, Licht in das Verschwinden des kleinen Mädchens zu bringen, pauschal Vorwürfe zu machen und das ohne jeglichen eigenen Prüfungsaufwand dieser Vorwürfe – findet Ihr als Leser das auch falsch?

Diese Arbeit wurde mit 15 Punkten bewertet. Nun kennen wir ohne die Universität und das Studienfach auch nicht die Notenskala. Wahrscheinlich waren 15 oder 18 Punkte die Maximalpunktzahl.
Ob sehr gut oder gut scheint hinsichtlich der einfachen Internetrecherche, der Knappheit der Arbeit, der nicht vorhandenen Quellenkompetenz und der übersteigerten Formulierung des Ziels deutlich zu hoch gegriffen.
Interessant wären hier wirklich die Kriterien, mit denen so etwas bewertet wird.
Wir als Leser können nur anmahnen, kein Geld hierfür auszugeben.

Wer die Arbeit dennoch gekauft hat ist ermutigt, hier seine Meinung darüber in den Kommentaren zu schreiben. Sind wir zu kritisch?




Montag, 5. Februar 2024

Der Blick im Fall Peggy ruht derzeit auf dem 18. April 2024. An diesem Donnerstag wird am Landgericht Hof der erste Prozesstag um eine eventuelle Schmerzensgeldzahlung von Manuel S. an Peggys Mutter stattfinden.

Sie selbst bringt diverse seelische und körperliche Leiden mit dem Verschwinden ihrer Tochter in Verbindung. Manuel S. hätte laut seinem Geständnis im September 2016 bereits am Tattag gewusst, was mit dem Mädchen geschehen war und mit einer umgehenden Verständigung der Polizei Frau Knobloch und der ganzen Familie viel Leid ersparen können.

RA Meringer, Manuel S. Verteidiger, sieht diese Sache naturgemäß anders. Erstens verweist er darauf, dass das Geständnis bereits einige Monate nach seiner Entstehung widerrufen wurde. Es sei also unwahr und könne nicht herangezogen werden. Zudem wird es schwierig sein, einen zwingenden Zusammenhang zwischen Peggys Verschwinden und den Erkrankungen ihrer Mutter nachzuweisen.

Wir würden uns freuen, wenn es ein paar Experteneinschätzungen zu diesem anstehenden Zivilprozess geben würde.

Muss Manuel S. aussagen, was kann das Gericht noch aufrufen, um ein bisschen Licht ins Dunkel zu bringen? Wie schwierig wird es für die Seite von Peggys Mutter sein, die Forderungen durchzusetzen?


Der neueste und leider einzige Artikel zu dem konkreten Verhandlungsstart stammt wieder mal aus der BILD. Diese hatte dazu im November 2023 Folgendes berichtet:


Eine Schmerzensgeld-Klage von Peggys Mutter Susanne (51) gegen Bestatter Manuel S. (46) wurde vom Gericht zugelassen und soll ab dem 18. April 2024 verhandelt werden.
(...)
Für jedes Jahr des erlittenen Traumas soll Manuel S. nun 5000 Euro zahlen. Doch laut Landgericht Hof bestreitet er die Vorwürfe von Peggys Mutter und beantragt die Abweisung der Klage. Er hat sein Geständnis zur Leichenbeseitigung widerrufen. Das Verfahren war 2020 eingestellt worden.
(...)
Das Landgericht Bayreuth stellte aber fest, dass „an seinem Täterwissen in weiten Teilen kein Zweifel besteht“. Sein Verteidiger Jörg Meringer kündigte an: „Wir werden uns dagegen verteidigen.“ Die Angaben seines Mandanten bei der Polizei seien falsch gewesen. Die Klage sei auch aus rechtlichen Gründen nicht begründet.

Quelle: BILD online, 22.11.2023

 

Hoffen wir, dass Wahrheit und Gerechtigkeit wenigstens einen Teilsieg erringen in diesem so furchtbaren Fall.

Freitag, 24. Februar 2023

 

Die BILD veröffentlichte als Erstes, dass es im Fall Peggy eventuell ein weiteres Gerichtsverfahren geben wird. Frau Knobloch möchte über eine zivile Schmerzensgeldklage 75.000€ von Manuel S. einfordern.



Peggys Mutter Susanne (50) hat nach BILD-Informationen Schmerzens­geld-Klage gegen einen Be­statter eingereicht, der die Leiche ihres Kindes im Thüringer Wald vergraben und erst 2018 im Kripo-Verhör sein Täterwissen offenbart hatte!
Bestatter Manuel S. (45) soll für 15 Jahre Ungewissheit über Peggys Schicksal 75 000 Euro an Mutter Susanne zahlen. Denn erst am 2. Juli 2016 fand ein Pilz­sammler an der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze die sterblichen Überreste der am 7. Mai 2001 verschwundenen Schülerin! Sie war ermordet worden, doch der Täter wurde nie ver­urteilt.

Quelle: BILD online, 29.01.2023 

 

Wir erinnern uns: nach dem Leichenfund 2016 geriet Manuel S. erneut in den Fokus der Ermittlungen. Pollenreste wie sie in der Zusammensetzung von torfhaltiger Blumenerde vorkommen wiesen daraufhin, dass diese Pollen an den Verbringungsort mitgebracht worden waren. Manuel S. hatte am Tattag zusammen mit seiner Mutter Pflanzarbeiten vorgenommen. Zudem wurden Farb- bzw. Lackreste gefunden. Auch hier gab es einen mittelbaren Bezug zu Manuel S., der zu dieser Zeit ein Haus im Ortskern von Lichtenberg renovierte und vermutlich passenden Renovierungsmüll transportiert hatte.

Auch wenn es keinen konkreten Beweis für ein Tötungsdelikt gegen Manuel S. gab, die Indizien reichten für eine Durchsuchung mehrerer Gebäude und eine stundenlange Vernehmung. Während dieser gestand Manuel S., die Leiche der kleinen Peggy in den Wald bei Rodacherbrunn gebracht zu haben. Mit der Tötung will er nichts zu tun gehabt haben, die Leiche habe er von einem Lichtenberger an der dortigen Bushaltestelle im Ortskern übernommen. Stimmte das, so wäre die Verbringung der Leiche als Strafvereitelung bereits verjährt gewesen, eine juristische Bestrafung nicht mehr möglich.

Von wem Manuel S. die Leiche übernommen haben will bestätigte die Polizei erst 2020 im Zuge der Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen Manuel S., obwohl die Vermutungen von Beginn an eindeutig waren: es ist Ulvi K., der bereits 2004 wegen Mordes an Peggy verurteilt, 2014 aber in einem Wiederaufnahmeverfahren freigesprochen wurde.

Konkret schreibt die Polizei zum Tatverdacht gegen Manuel S. und zur Einstellung des Verfahrens:

Es wurden zwar zahlreiche Indizien ermittelt, die auf eine Tatbeteiligung von Manuel S. hindeuten, weder die objektive Spurenlage noch die verwertbaren Angaben des Beschuldigten oder sonstige Beweismittel gestatten allerdings einen hinreichend sicheren Nachweis der Beteiligung an der Tötung von Peggy Knobloch. 

...

Es liegen damit insgesamt keine hinreichenden Beweise dafür vor, dass Manuel S. allein oder zusammen mit einer anderen Person Peggy Knobloch sexuell missbraucht und anschließend getötet hat, um die Sexualstraftat zu verdecken.

Bestehen bleibt lediglich der dringende Tatverdacht gegen den Beschuldigten hinsichtlich des Verbringens der Leiche. Sofern hier isoliert betrachtet der Tatbestand der Strafvereitelung in Betracht käme, wäre dieser aber bereits verjährt.

Quelle: Presseerklärung des Polizeipräsidiums Oberfranken
und der Staatsanwaltschaft Bayreuth, 20.10.2020

 

Falls es zur Schmerzensgeldklage gegen Manuel S. kommt wird sich Frau Knobloch bzw. ihre Rechtsanwältin auf genau jene Überzeugung der Ermittlungsbehörden beziehen, wenn es darum geht, dass Manuel S. es hätte verhindern können, dass Frau Knobloch und alle Familienangehörigen Peggys mit einer 15 Jahre währenden Ungewissheit zurechtkommen mussten. Er hat sich - angenommen das mittlerweile zurückgezogene Geständnis der Leichenverbringung stimmte - dagegen entschieden, die Polizei zu rufen.

Juristisch dürfte diese angestrebte Zivilklage auf ein Abwägen verschiedenster Sachverhalte, Indizien und Vermutungen herauslaufen.

Hoffen wir, dass Frau Knobloch der Wahrheit ein Stück näher kommt.

Sonntag, 11. Dezember 2022

Expertenmeinungen zum Fall

Auffallend ist, dass in der ganzen Blase der (teils sehr fragwürdigen) Verteidigung und Unterstützer eigentlich nur heisse Luft produziert wird. Aber auch wenn inhaltlich so rein gar nichts nachgewiesen werden konnte im Sinne einer Entlastung (man erinnere sich an gefälschte Pornobilder, an verpuffte Fahrtenschreiberskandale oder an verharmlosende Verkindlichungen), so war das im Rückblick erstaunlich erfolgreich. Dumpfe und mantraartig wiederholte Parolen haben die Stimmung in der Bevölkerung und die Wahrnehmung des Falles nachhaltig beeinflusst.

Alles, was wissenschaftlich und objektiv bei einer Entlastung helfen hätte können, wurde gemieden wie der Teufel das Weihwasser meidet: Ärzte wurden für das Gerichtsverfahren 2014 nicht von ihrer Schweigepflicht entbunden, es gab keine Gegengutachten zu den bei Gericht 2003ff aufgerufenen Expertisen, das Gerichtsurteil 2014 wurde trotz postulierter Forderung nach Transparenz nicht veröffentlicht (Transparenz ist wohl aus Sicht der Unterstützer eine Einbahnstraße) und das Aktenmaterial wurde munter verteilt, allerdings nur in genehmen Ausschnitten und nur an ausgewähltes Publikum.

Wohltuend mutet es also an, wenn Experten sich ohne Scheuklappen über den Fall äußern. Personen, die gut ausgebildet sind, die jahrzehntelange Erfahrung haben und die sehr nahe an dem Fall Peggy dran waren und sind. Es ist leider so, dass sich aktive Ermittler nicht äußern dürfen. Ab und an finden sich aber (pensionierte) Personen, die sich dann doch äußern. Aus aktuellem Anlass und auch weil auf Frau Rödels Facebookseite wieder Kommentare zu lesen sind, die wegen der Äußerungen Strafanträge fordern, stellen wir nochmal zusammen, was Experten meinen.

Hier das, was wir an Beurteilungen des Falls finden konnten. Sollten wir etwas vergessen haben, dann schreibt das bitte über die Kommentarfunktion. Wir werden sehr gerne ergänzen.


Hans Ludwig Kröber, forensischer Psychiater


Quelle: mainwelle, 6.5.2014 (prozessbegleitend)

Der Berliner Psychiater Hans-Ludwig Kröber hat dabei den angeklagten Kulac erneut belastet.

Er führte aus, dessen Schilderungen beim Geständnis seien erlebnisorientiert und in Kernaussagen auch konstant. Kröber ergänzte, minderbegabten Menschen könne man keineswegs alles einreden und schon gar nicht lange Geschichten. Der Gutachter spielte damit auf die Einschätzung von Kulac-Unterstützern an, die davon ausgehen, dass dem geistig behinderten Mann das Geständnis von der Polizei suggeriert wurde. Kröber milderte sein Gutachten aber am Ende seiner Ausführungen noch ab. Wörtlich sagte er: "Es ist nicht auszuschließen, dass es zu einem aussagepsychologisch recht gutem aber insgesamt zu einem falschen Geständnis gekommen ist.“

Quelle: BR online Live-Ticker, 6.5.2014 (prozessbegleitend)

Hans-Ludwig Kröber kündigt eine etwa 50-minütige Aussage an. Er hält Ulvi Kulac für aussagetüchtig. Sein IQ dürfte Kröber zufolge zwischen 60 und 70 liegen. Laut Kröber besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass Kulacs Geständnis erlebnisbegründet war. Begründung: Kulac schilderte, Peggy sei auf einen Stein gestürzt und habe sich ein blutiges Knie zugezogen. Diese Szene kommt in Vernehmungen mehrmals zur Sprache, aufgebracht habe sie Kulac. Es sei nicht von vornherein unmöglich oder undenkbar, dass Kulac reale Erlebnisse in sein Geständnis integriert, auch wenn diese zu anderen Zeiten stattgefunden haben, schlussfolgert Kröber. Beim Widerruf des Geständnisses habe Kulac auch verneint, Peggy gefesselt und geknebelt zu haben. Das war ihm aber von den Polizisten gar nicht vorgehalten worden. Darauf angesprochen, habe Kulac geschwiegen. Kröbers Fazit: Zwar sei es denkbar, dass das Geständnis falsch war, dafür sprächen auch einige schwache Umstände. Im Gesamtzusammenhang fänden sich aber Argumente, die für einen realen Erlebnishintergrund sprächen.

Kröber gibt auf Nachfragen des Gerichts zu, dass es Ungereimtheiten in Kulacs Aussagen gibt, die für Außenstehende nur schwer nachvollziehbar sind. Warum soll Kulac, seine Unschuld angenommen, detailliert von einer Verfolgung Peggys samt Sturz berichten, wenn sich die anschließende Tötung des Mädchens gar nicht ereignet hat? Kröber hat dafür zwar wissenschaftlich fundierte Ansätze, gibt aber zu, dass es schwierig ist, Kulacs Aussagen zu bewerten. In zentralen Punkten seien seine Angaben aber unnötig ausführlich und daher als real und erlebt anzusehen, so Kröber.

Die Staatsanwältin fragt Kröber, wie seine Aussage nach einer "hohen Wahrscheinlichkeit" der Richtigkeit des Geständnisses anzusehen ist. Kröber antwortet sinngemäß, dass es viele Details und schlüssige Folgehandlungen enthält. Sollte sich Kulac all das ausgedacht haben, so wäre das laut Kröber zwar möglich, aber die unnötig umständlichere Variante. Die naheliegendste Erklärung sei, dass Ulvi Kulac seine Schilderungen aus dem Geständnis tatsächlich erlebt hat. Kurzum: Er hätte mehrfach die Möglichkeit gehabt, sich auf seine Unschuld zu berufen. Er tat es nicht, sondern widerrief das Geständnis erst Monate später. Wie glaubwürdig ist Kulacs Aussage, er habe lediglich gestanden, um seine Ruhe zu haben? Schließlich hat Kulac mehrfach gestanden, ausführlich ausgesagt und erst viel später widerrief er all das. Ein Polizist hat am Montag (05.05.14) korrekterweise angemerkt, dass Kulac nur das Mordgeständnis widerrufen habe, nicht aber den sexuellen Missbrauch. Laut Kröber kann Kulac auch katastrophale Ereignisse weitgehend unberührt schildern. Und ganz simpel ausgedrückt: Es sei bei den Vernehmungen angesichts seiner Minderbegabung für Ulvi Kulac immer einfacher gewesen, die Wahrheit zu sagen, anstatt sich in einem Lügengebilde zu verstricken, aus dem er nicht mehr herauskomme. Mehrere hartnäckige Nachfragen von Kulacs Verteidiger Michael Euler bricht das Gericht ab. Der Vorsitzende weist darauf hin, dass Kröber nur die Aussagepsychologie Kulacs beurteilen soll. Äußere Umstände und Logiklücken seien nicht Teil von Kröbers Auftrag. Euler lässt nicht locker: "Warum soll er (Kulac, d. Red.) das sagen?" - "Diese Frage können Sie immer stellen", kontert Kröber. Manche Dinge seien eben rational nicht nachzuvollziehen, führt Kröber aus. Dass auch Täter sich nicht an die Kleidung des Opfers erinnerten, sei nicht ungewöhnlich. Interessant: Kulacs Verteidiger hat die Ärzte seines Mandanten nicht von ihrer Schweigepflicht entbunden. Das Gericht erfährt also nicht, wie die Mediziner seine Therapiefortschritte und sein derzeitiges Verhalten in der Forensischen Psychiatrie beurteilen. Das Gericht muss sich auf Akten und Aussagen von Gutachtern stützen, um Kulacs Verhalten und Glaubwürdigkeit einzuschätzen. Die Fragen der Verteidigung drehen sich im Kreis, doch Kulacs Anwälte sehen in den Ausführungen Kröbers eine offene Flanke.


Quelle: Stern CrimeNr. 02 (2015)
https://www.allmystery.de/themen/km79175-3560#id22616637

Mollath ist nicht der einzige Fall, bei dem Sie sich getäuscht haben sollen. Sie hielten das Geständnis von Ulvi Kulac ... für glaubwürdig. ...
Ich habe die Aussagetüchtigkeit ... begutachtet. Er ist geistig behindert, hat einen IQ von 67, das heißt, er kann kaum lesen, schreiben oder rechnen. Ulvi Kulac hat vor dem Verschwinden von Peggy mehrere Kinder sexuell missbraucht. Im Dorf wussten das alle. Die Erwachsenen haben die Kinder gewarnt: "Macht einen Bogen um Ulvi." Wegen dieser Missbräuche hat Herr Kulac in der Psychiatrie gesessen, keinen einzigen Tag wegen des Mordes an Peggy. Dass er Peggy am Donnerstag vor ihrem Verschwinden vergewaltigt hatte, hat er nicht widerrufen.

Deshalb muss Ulvi Kulac Peggy aber noch lange nicht umgebracht haben.
Ohne Zweifel sind viele Fragen offen, und so ein Geständnis allein sollte für ein Urteil nicht genügen. Es war aber erstaunlich, dass jemand ... einen Hergang so detailreich schildern konnte... einen Vorgang von 30 Minuten Dauer, passend in Zeit und Raum. Nachdem er sein Geständnis widerrufen hatte, habe ich mir von ihm noch einmal darlegen lassen, was er denn genau gestanden hat.

Warum?
Wenn man sie nicht wirklich erlebt hat ist es schwierig, komplexe Geschichten bei Wiederholung genau so wiederzugeben, wie man sie beim ersten Mal erzählt hat. Das gilt besonders für Menschen, die minderbegabt sind. ... Bei dieser Schilderung gab es eine verblüffend hohe Übereinstimmung mit dem ursprünglichen Geständnis. Monate später im Gerichtssaal hat Herr Kulac ein drittes Mal dieses widerrufene Geständnis dargestellt, wiederum genauso detailliert wie bei ersten Mal - und das alles ohne schriftliche Aufzeichnungen. Wenn es die Erinnerung an etwas ist, das man erlebt hat, ist das nicht schwer. Wenn man nichts davon erlebt hat ... ist das sehr schwer ...


Josef Wilfling, ehem. Leiter der Münchner Mordkommission

Quelle: mdr "wir nach 4", 30.7.2016

"Normalerweise äußere ich mich nicht zu Fällen, wo ich nicht selber beteiligt war. In dem Fall mach ich eine Ausnahme, weil ich kenn keinen Kriminalfall, der mit so viel Verschwörungstheorien versehen wurde, es wurden Filme gedreht, mit unsäglichem Inhalt, es wurden Bücher geschrieben, es wird heute noch behauptet, das Mädchen sei irgendwo im Ausland oder in einem Bordell. Jetzt hat man die Leiche gefunden und zwar genau da, wo wir schon immer gesagt haben, "sie ist irgendwo da oben in diesem riesen Waldgebiet abgelegt." Das war von Anfang an, für mich jedenfalls, klar und für viele Ermittler und ich persönlich (das ist meine persönliche Meinung) glaube dass das Urteil des Landgerichtes Hof von 2004 richtig war. Dafür gibt es genügend Indizien und ich glaube, dass das Urteil vom Landgericht Bayreuth mit diesem Freispruch falsch war. Das ist meine feste Überzeugung und damit stehe ich auch nicht alleine.
...
Also ich kenne das Video mit seiner Rekonstruktion. Einer meiner Mitarbeiter war bei dieser SoKo 2 und insofern kenne ich den Fall eigentlich recht gut und erlaube mir deshalb, ein paar Worte dazu zu sagen. Ich halte die Aussage, die er dazu gemacht hat, dieses Geständnis für glaubwürdig und das ist ja das A und O -entweder man glaubt es oder man glaubt es nicht. Und ich glaube, das ist alles schlüssig und kann mir nicht vorstellen, und ich habe mir das Video immer wieder angesehen, dass er das, was er da erzählt, nicht wirklich erlebt hat. Das muss er erlebt haben, es gab keine Widersprüche, es ist alles schlüssig, es ist alles bündig. Er erklärt auch ganz genau, wo die Leiche verblieben ist und hat das auch genau beschrieben und das stimmt mit den Fakten überein. Und deshalb bin ich persönlich überzeugt, dass er der Täter war.


Georg Hornig, ehem. Richter

Quelle: Frankenpost, 27.7.2016

In Erinnerung wird aber vor allem der Prozess bleiben, bei dem 2004 der Lichtenberger Ulvi Kulac wegen des Mordes an der neunjährigen Peggy zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt wurde. 2014 wurde Kulac in einem Wiederaufnahmeverfahren vom Landgericht Bayreuth freigesprochen, weil "ein Tatnachweis nicht möglich war". Hornig macht deutlich, dass er zum Hofer Urteil steht. "Ich bin aufgrund der durchgeführten Hauptverhandlung überzeugt, dass die damalige Entscheidung richtig war", sagte Hornig im Gespräch mit unserer Zeitung. Dass Peggys Leiche inzwischen ganz in der Nähe ihres damaligen Wohnorts Lichtenberg entdeckt wurde, will er nicht kommentieren. 


Klaus Weich, ehem. Leiter der Polizeiinspektion Hof
Quelle: Frankenpost, 16.10.2022
Wie stehen Sie eigentlich zum Fall Peggy?
Für mich ist ganz klar, dass die beiden, die zuletzt immer wieder im Fokus standen, die Täter wren. Die Ermittlungen der Kriminalpolizei Bayreuth haben mich voll überzeugt. Aus meiner persönlichen Sicht sehe ich den Fall als geklärt.

Sonntag, 31. Juli 2022

Momentan gibt es leider keine Neuigkeiten zum Fall Peggy. Die Ermittlungen bleiben eingestellt, der oder die Mörder sind frei.


Bei Frau Rödel allerdings geht das Prozessieren weiter. Nun hat selbst ihr eigener Buchverlag festgestellt, dass sie in Bezug auf den Rechtsstreit "Halbwahrheiten und merkwürdige Schlussfolgerungen"  erzählt.

Weil man offenbar nichts unter sich regeln kann ging das natürlich vor Gericht und wird vielleicht nochmal zivilrechtlich untersucht.

Es geht um den schnödem Mammon: Frau Rödel fühlt sich unterbezahlt. Diese Schlammschlacht ist auch insofern bemerkenswert, als der Verlag selbst gegen Frau Rödel schiesst und diese den in Facebook verlinkten Arikel noch liked. Muss man wahrscheinlich nicht verstehen.



Quelle:Westsächsische Zeitung, 26.6.022 
https://wsz-rechercheteam.blogspot.com/2022/06/gudrun-rodel-halbwahrheiten-und.html?fbclid=IwAR0JA2AsNZdiR2O6D4Qfsu8daqNfVXu8PchaKqcQWw315vlgRWhUo5yE-F0

Gudrun Rödel (...) fühlte sich von ihrem Verlag ungerecht behandelt. Sie war der Meinung, nicht genug Geld für den Verkauf ihrer Bücher bekommen zu haben. (...) Am 5. Mai kam es am Amtsgericht Zwickau zum Prozess.
Gudrun Rödel war als Zeugin geladen.
(...) Die Zeugin Gudrun Rödel durfte ihre Wahrnehmung der Geschehnisse ausführlich darlegen. Danach beantragte der Staatsanwalt die Einstellung des Verfahrens mit den Worten: „Das scheint hier eher ein zivilrechtlich zu klärendes Problem zu sein“.
Seit einiger Zeit ist ein Video im Umlauf, in dem Gudrun Rödel allerlei Halbwahrheiten über diesen Prozess unters Volk streut  (Link auf Facebook). Ab Minute 41:45 kann der verwunderte Zuschauer unter anderem vernehmen, ein Anwalt hätte ihr verraten, dass inzwischen auch Reichsbürger in die Justiz involviert seien.
(...)