Montag, 1. Juni 2020

Der erste Monat nach Peggys Verschwinden


In einem der vorigen Beiträge wurde schon erwähnt, wie umfangreich die Suchmaßnahmen der Polizei im Fall Peggy waren. Wagen wir jetzt einen Zeitsprung um 19 Jahre zurück. Was war der Stand der Ermittlungen gut einen Monat nachdem Peggy Knobloch nicht mehr von der Schule nach Hause kam?

In den ersten Tagen durchkämmten Hundertschaften und Freiwillige zunächst den Ort, dann markante Stellen der Umgebung. Gewässer werden von Tauchern des DLRGs ebenso untersucht wie Höhlen, Abrisshäuser, Baustellen, Waldstücke.

Mit jeder Stunde schwindet die Wahrscheinlichkeit, dass das Mädchen alleine verunglückt ist. Infolgedessen wird am Mittwoch, den 9. Mai 2001 ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt eingeleitet.


Tags darauf, am Donnerstag, den 10. Mai 2001 meldet ein Zeuge den Fund einer Mädchenleiche. Trotz zeitnaher Untersuchung der gemeldeten Wegstelle kann die Polizei keine Spur der Leiche finden. Auch mitgeführte Polizeihunde schlagen nicht an.
Ungefähr zu dieser Zeit werden die Journalisten in Lichtenberg zur Belastung. Ortsansässige Personen werden mit Fragen bestürmt und verlassen nur noch ungern das Haus.
Zwei Schulkameraden Peggys machen eine erstaunliche Aussage: sie wollen das Mädchen gesehen haben, wie es vor der Bäckerei zusammen mit einem anderen Mädchen in einen roten Mercedes eingestiegen, weggefahren, später dann wieder ausgestiegen sei. Diese Spur bringt die Ermittler nicht weiter, auch weil zwei weitere anwesende Jungs diese Beobachtung nicht bestätigen können und weil die Kinderzeugen ihre Aussage später zurückziehen.

Am Freitag, den 11. Mai 2001 wird eine Belohnung von zunächst 10 000 DM ausgesetzt. Frau Knobloch ruft öffentlich den Täter dazu auf, ihr ihr Kind wiederzubringen.
Noch am Wochenende wird die Belohnung aufgestockt auf 15 000 DM und die Suchtrupps werden aus Lichtenberg abgezogen.

Eine Woche nach dem Verschwinden überfliegen Tornados der Bundeswehr das Gebiet, um mittels Wärmebildaufnahmen das Mädchen vielleicht zu finden.
Privates Suchplakat



"Mit Bericht vom 9. Mai 2001, eingegangen im Staatsministerium der Justiz am selben Tag, berichtete die Generalstaatsanwaltschaft Bamberg über die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen unbekannt wegen des Verdachts des Menschenraubes zum Nachteil des am 7. Mai 2001 als vermisst gemeldeten Kindes Peggy. Im weiteren Folgenbericht der Generalstaatsanwaltschaft Bamberg vom 11. Oktober 2001 wird der Name Ulvi K. erstmals erwähnt."


Nachdem nun ein Unfallgeschehen ausgeschlossen wird und die Überprüfung der Angehörigen sowie der ersten Hinweise keine Ergebnisse gebracht hatten, startet am Dienstag, den 15. Mai 2001 eine Überprüfung aller registrierten Sexualstraftäter der Umgebung.

Nach der Aufstockung der Soko vom 17. Mai 2001 beschäftigen sich 60 Beamte mit dem Verschwinden des Kindes. Es werden auch Spezialisten aus anderen Gegenden Bayerns hinzugezogen, so zum Beispiel das "Kommissariat für operative Fallanalysen" in München.

Bereits zwei Wochen nach dem Verschwinden gesteht Ulvi K. erstmals, das Mädchen wenige Tage vor dessen Verschwinden massiv sexuell missbraucht zu haben. Gleichzeitig kommen aus der Familie Hinweise, dass das Mädchen sich in einer Art verändert hatte, die auf Sexuellen Missbrauch hindeuten könnte. Dazu zählte Traurigkeit, Zurückziehen, übersteigertes Schamgefühl, Wegwerfen von Kleidungsstücken.

Gegen Ende Mai taucht ein Hellseher auf, der helfen mag, es aber nicht kann. Eine anonyme Email aus einem türkischen Internetcafè erweist sich ebenfalls als Sackgasse. Mittlerweilse schliessen die Ermittler einen Unglücksfall aus und stocken die Soko nochmal auf 75 Mitglieder auf.

"Eine E-Mail aus der Türkei besagte, dass Peggy über Russland in die Türkei eingereist sei und Peggys Stiefvater davon wisse. Demnach werde Peggy in der Nähe einer Kirchenruine in der Nord-Türkei festgehalten. Bei der Überprüfung im Juli 2001 hat es nach Angaben Behrendts jedoch Abstimmungsschwierigkeiten mit der türkischen Polizei gegeben.
Als deutsche Beamten die bezeichnete Stelle im April 2002 untersuchten, habe sich keine Spur des Mädchens gefunden."
Oberpfalznetz, 26. November 2003




Ein ausführlicher Sachstandsbericht vom 29. Mai 2001 fasst den Ermittlungsstand zusammen:
"SOKO "Peggy" - Unterstützung von anderen Polizeipräsidien.

Mit Stand Dienstag 29.05.01 sind bei der SOKO "Peggy" mittlerweile über 950 Hinweise eingegangen. Aufwendig gestaltet sich die Abarbeitung der derzeit 170 Hinweise aus den Kreisen von Wahrsagern, Pendlern, Muschelwerfern und Astrologen. Immer wieder bekommt die SOKO Örtlichkeiten aus dem gesamten Bundesgebiet und dem Ausland genannt, an denen sich Peggy befinden soll. Übereinstimmungen von Lokalitäten sind nicht feststellbar. Trotzdem nimmt die SOKO auch diese Hinweise ernst. Die Örtlichkeiten werden durch die Ermittlungsteams der SOKO oder beauftragte Kollegen aus anderen Bundesländern bzw. Kollegen aus dem Ausland überprüft.

Derzeit liegen immer noch keine konkreten Hinweise vor, die das spurlose Verschwinden der Peggy erklären. Auch der Hinweis auf den roten Pkw, vermutlich zweitüriger Mercedes mit angeblich tschechischem Kennzeichen ist nach wie vor eine vage Spur. Ein Unglücksfall im näheren Bereich von Lichtenberg wird aber aufgrund der intensiven Suchmaßnahmen ausgeschlossen. Bislang sind auch noch nicht der auffällige rote Schulranzen und sonstige Kleidungsstücke von Peggy aufgefunden worden.

Nach wie vor läuft bei der SOKO intensive Kopfarbeit. Es gilt, die diversen Hinweise zu bewerten, evtl. Spuren herauszuarbeiten und entsprechende Arbeitsaufträge an die SOKO-Mitglieder zu verteilen. Eine Vielzahl von zeitintensiven Vernehmungen sind zu fertigen. Ständig müssen Vernehmungen gegengelesen werden, um Widersprüche festzustellen und dadurch letztendlich einen erneuten Ansatz für die Ermittlungen zu gewinnen. Auch die Überprüfung der vielen Örtlichkeiten gestaltet sich oft personal- und zeitaufwendig. Ferner finden auch immer wieder kriminaltechnische Untersuchungen von sichergestellten Kleidungsstücken beim Bayerischen Landeskriminalamt statt. So wurde zum Beispiel bei einer in Bad Steben aufgefundenen Stumpfhose DNA-Material gesichert und mit dem von Peggy verglichen. Das Material stimmte nicht überein.

Zur schnellen, kompetenten Abarbeitung der zahlreichen Hinweise und Ermittlungsaufträge wurde die SOKO nochmals um 15 Kollegen aus den Präsidien Niederbayern/Oberpfalz, Mittelfranken und Unterfranken aufgestockt.

Ein Lob muss an die Bevölkerung ausgesprochen werden, die sich im Fall Peggy äußerst solidarisch zeigt. So bekommt die SOKO Peggy täglich motivierende Schreiben und E-Mails aus der ganzen Welt auf den Tisch. Auch private Personen beteiligen sich an der Suche nach Peggy mit der Einstellung von Vermisstenplakaten im Internet und der Weiterleitung von Sammel-E-Mails.

Das BLKA hat eine Belohnung von 50.000 DM ausgesetzt für Hinweise, die zur Aufklärung der Tat oder zur Ergreifung des Täter führen. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Die Belohnung ist für Privatpersonen und nicht für Beamte, deren Berufspflicht die Verfolgung strafbarer Handlungen ist, bestimmt.

Zusätzlich hat die Frankenpost Hof einen Betrag von 5.000 DM ausgelobt. "





Es ist wie verhext. Mehrere hundert Hinweise führen zu nichts.
Das Mädchen ist wie vom Erdboden verschluckt.
Keiner scheint etwas relevantes beobachtet zu haben, die Ermittler arbeiten jede Spur penibel ab, stehen aber mit leeren Händen da.

Die Mutter von Peggy geht durch die Hölle. Selbst heute noch.
Die, die etwas wissen, schweigen noch immer.

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