Ein paar Tage nach der konsequenten aber bitteren Entscheidung der Staatsanwaltschaft darf man mal einen Blick werfen auf die unterschiedlichen Reaktionen.
Parteien gibt es viele in diesem Fall. Unmittelbar und mittelbar Beteiligte aber auch völlig Unbeteiligte, die ihre Meinung vielerorts kundtun.
Das beeindruckendste und ehrlichste Statement kam sicher von Susanne Knobloch, die nach 19 Jahren Berg- und Talfahrt vorerst ganz unten stecken bleibt. Ohne die Gewissheit, dass sich die Ermittler aktiv bemühen, den Tod ihrer Tochter aufzuklären. Wenn sie wie folgt zitiert wird kann man die Verzweiflung nachempfinden:
Quelle: facebook, Seite "Ulvi Kulac", Autor Thomas Henning, 23.10.2020 |
Die Mär von den "unsäglichen" Ermittlungen soll offensichtlich aufrecht erhalten werden, auch wenn über die Misserfolge diverser Anzeigen gegen Kripo und Staatsanwaltschaft höflich geschwiegen wird. Beifall kommt in Form von "Likes", das corona-sichere Zustimmungszeichen für alle für Polemik empfänglichen Verschwörungsliebhaber, die allzu gerne dieser Schwarzweißlogik folgen.
Dritte Partei ist die um Manuel S., gegen den nun die Ermittlungen wegen Mordes eingestellt wurden und den die Staatsanwaltschaft als Verbringer der Leiche von Peggy sieht. Letzteres Delikt nennt sich Strafvereitelung und wird strafrechtlich nicht weiter verfolgt, da es bereits verjährt ist. Manuel S. gilt somit mit der Einstellung des Verfahrens gegen ihn als unschuldig und er zeigte sich darüber sehr erleichtert:
Sein Verteidiger geht sogar noch weiter. Gegenüber dem BR sagte er:
"Nun prüft Anwalt Meringer, ob Schadensersatz-Ansprüche gegen den Freistaat Bayern wegen Rufschädigung bestehen. Denn die Ermittler hätten bei einer Pressekonferenz im Herbst 2018 den vollen Vor- und Nachnamen des damals Verdächtigen genannt. "Ich finde, da wurde gegen die Unschuldsvermutung verstoßen", so Jörg Meringer im Gespräch mit dem BR."
Zu der Liste der unnötig vielen Verfahren im Windschatten dieser Tragödie wird wohl noch das ein oder andere dazukommen. RA Meringer will laut BR jetzt (erst) Akteneinsicht beantragen und weitere Ermittlungen gegen Holger E. fordern. Holger E. war ein damals 16jähriger, der mittlerweile wegen schwerem sexuellen Missbrauchs in mehreren Fällen inhaftiert war. Er ist sozusagen ein Geschenk des Himmels für jeden, der von Lichtenberg als Ort des Geschehens ablenken mag. Dass die Ermittlungen gegen ihn keinen Tatverdacht erhärten konnten und das Verfahren gegen ihn ebenfalls und schon vor langer Zeit eingestellt wurde scheint in der Argumentation nicht so viel zu zählen wie die jetzige Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen Manuel S., der dadurch als vollständig rehabilitiert verkauft wird.
Holger E. ist auch der Lieblingstatverdächtige von Christoph Lemmer, der den Fall Peggy schon mehrfach medial aufgearbeitet hat und dabei großzügig über feststehende Ermittlungsergebnisse hinwegsieht, um Holger E. und Peggys Familie nicht aus dem Fokus seiner Argumentation zu verlieren. So stossen Buch, Podcast und Doku ins gleiche Horn.
Lemmer, der nach eigenen Angaben professionelle Distanz zu seinen Interviewpartnern wahren möchte, straft sich selbst Lügen, indem er sich mit Manuel S. und dessen Rechtsanwälten "facebook-befreundet". Ein deutliches Zeichen, mit wem er sich öffentlich solidarisiert.
Überhaupt, wer sich virtuell so alles mit wem zusammentut und Likes vergibt. Ausgerechnet diejenigen beiden Lager von Ulvi K. und Manuel S., die sich gegenseitig als Mörder bzw. Tatbeteiligte ins Spiel brachten, die sich mal nicht gekannt haben wollen, dann aber doch eine Freundschaft plus pflegten, zwischen denen es zu einer Anzeige wegen Missbrauchs kam - genau die beiden Lager zeigen sich im Kampf gegen das Böse in Form der Ermittlungsbehörden vereint. Da wird geteilt, geliked und zugestimmt was das Zeug hält.
Halt, so ganz stimmt das nicht. Es gibt nämlich noch eine Gewalt, die die geballte Feindschaft verdient hat: die Journalisten, die den Behörden folgen und die Fakten berichten.
Ganz besonders angetan haben es ihnen Otto Lapp, der Journalist von Nordbayerischen Kurier, und Jörg Völkerling von der BILD, die sogar schon mehrfach Anzeigen und Beschwerden kassierten für ihre kritischere Berichterstattung.
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Quelle: Facebookseite Rechtsanwaltskanzlei Jörg Meringer, 25.10.2020 |
Schon bemerkenswert, wie sich ein Anwalt hier öffentlich äussert. Er nimmt sogar aktiv an den Diskussionen teil, teilweise sogar wenig anwaltlich-gediegen.
Und wer verbreitet das Ganze? Richtig, Frau Rödel oder wer auch immer im Namen von Ulvi K. die Seite befüttert:
Dass die Rüge keine Rüge war sondern lediglich eine Missbilligung gegen eine Passage aus dem beanstandeten Artikel ist vielleicht in aller Euphorie passiert.
Der Deutsche Presserat schreibt diesbezüglich:
"In der Sache selbst spricht er eine Missbilligung aus. Die Zeitung erweckt den Eindruck, Ulvi K. habe doch etwas mit dem Mord zu tun, obwohl ihn die Staatsanwaltschaft in einer Pressekonferenz nicht als Tatbeteiligten genannt hat und er im Jahr 2014 freigesprochen wurde. Der fragliche Passus stellt daher eine presseethisch zu beanstandende Spekulation dar, die geeignet ist, Uli K. vorzuverurteilen."
Quelle: Beschwerde beim Deutschen Presserat, Aktenzeichen: 0960/18/1, 24.6.2019
Das ebenfalls dort zu findende Statement des Deutschen Presserats lässt Frau Rödel weg:
"Im Übrigen nutze die Beschwerdeführerin ihre Beschwerde auch dafür, den
Autor mehrfach zu beleidigen und die Arbeit der Presse herabzuwürdigen.
Der Presserat kritisiert die zum Teil beleidigende Wortwahl der
Beschwerdeführerin gegenüber dem Autor des Berichts."
Quelle: Beschwerde beim Deutschen Presserat, Aktenzeichen: 0960/18/1, 24.6.2019
Um im Fall Peggy sich und die Anvertrauten zu verteidigen reicht die Wahrheit offensichtlich nicht aus. Ein wenig Verdrehen, ein bisschen Weglassen und immer ne gute Handvoll Schmutz werfen. Das Erfolgsrezept zur gefälligen und einfach verdaubaren Information der Öffentlichkeit.
Was vollständig fehlt ist Moral, Empathie, Rückgrat, Mitleid, Solidarität mit Peggy und ihrer Familie, richtig?
Die Bandbreite der Reaktionen im Netz reicht von Aufrufen zur Selbstjustiz über Häme bis hin zu Freude über die Entlastung Unschuldiger.
Aber ab und an gibt es auch diejenigen, die an das Mädchen und ihre Familie denken. Die mit ihnen zusammen auf die noch so kleine Chance hoffen, dass doch noch entscheidende Hinweise oder gar Beweise gefunden werden, um diesen Fall auch juristisch lösen zu können.
Wer immer etwas weiss, Gerüchte hörte, Gegenstände besitzt, die tatrelevant sein könnten, Unterlagen oder Fotos aus der Zeit und der Gegend hat usw.: bitte wenden Sie sich an die Staatsanwaltschaft Bayreuth.
Denn nur weil die Ermittlungen jetzt gerade eingestellt sind heisst das nicht, dass neuen Hinweisen nicht nachgegangen wird. Wir sind uns sicher, dass die Behörden jede Anstrengung unternommen haben und unternehmen werden, um den Fall Peggy Knobloch aufzuklären.
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